Morbus Scheuermann

KYPHOSEN: Morbus Scheuermann
Definition

Die Scheuermann-Erkrankung ist die häufigste Ursache einer strukturellen Verkrümmung (Kyphose) unter Heranwachsenden. Die Erfassung einer thorakalen Hyperkyphose erfolgt anhand definierter radiologischer Werte und klinischer Kriterien.

Ursache & Häufigkeiten
Die Ursache des M. Scheuermann liegt in einer Aufbau- und Wachstumsstörung der Grund- und Deckplatten der Wirbelkörper. Durch Störung der sog. Wirbelkörperapophyse kommt es vornehmlich im Brustwirbelsäulenbereich zu Keilwirbelbildung. Sog. Schmorl’sche Knötchen entstehen durch Einbruch von Bandscheibengewebe in Schwachstellen der Wirbelkörperendplatte im Wachstumsalter und finden sich bei rund 75% der Patienten. Ist eine Verkrümmung von Brustwirbelsäulenabschnitten eingetreten, so kommt es im weiteren Verlauf häufig zur Progression. Die Inzidenz der Scheuermann‘schen Erkrankung liegt bei bis zu 10% der Bevölkerung, eine vollständige Ausprägung und schwere Kyphosierung der Brustwirbelsäule ist jedoch selten. Eine genetische Prädisposition zur Erkrankung besteht, begünstigende Umweltfaktoren tragen zur Entwicklung des Krankheitsbildes bei. Typische Veränderungen der Brustwirbelsäule bei M. Scheuermann lassen sich im Röntgen (Abb. 8.1., Bild links) und in der Kernspintomographie (Abb. 8.2., MRT, Bildmitte) darstellen. Abzugrenzen ist die thorakale Kyphose bei funktioneller Fehlhaltung im Wachstumsalter, welche sehr gut auf Haltungsschulung und Muskelaufbau anspricht. Grund- und Deckplattenunregelmäßigkeiten sowie Einbrüche finden sich auch bei Erwachsenen im Bereich der Lendenwirbelsäule ohne die typischen Veränderungen des M. Scheuermann oder eine gesteigerte Kyphose der Brustwirbelsäule.

Mögliche Beschwerden und Symptome
Klinisch steht im adoleszenten Alter die fortschreitende Kyphose der Brustwirbelsäule im Vordergrund. Mit zunehmender Verkrümmung treten gehäuft lokale Schmerzen sowie frühzeitige muskuläre Ermüdung und entsprechende Beschwerden auf. Die zunehmende Deformierung der Brustwirbelsäule (>80°) stellt einen Risikofaktor für einen progredienten Verlust der Lungenvitalkapazität dar.

Konservative Behandlung
Physiotherapie ist der wichtigste Grundpfeiler der konservativen Behandlung. Ziele sind die Kräftigung der Rückenmuskulatur und Aufdehnung der Brust- und ischiokruralen Muskulatur. Eine zeitgerechte wachstumslenkende Korsett-Therapie konnte bei flexiblen Kyphosen und frühzeitigem Therapiebeginn in Einzelfällen Erfolge erzielen. Ihr Behandlungseffekt ist jedoch im Vergleich zur Skoliosetherapie nachrangig und eingeschränkt.

Operative Therapie
Eine zunehmende Kyphosierung der Brustwirbelsäule sowie eine in Kompensation entstandene zunehmende Lordosierung der Lendenwirbelsäule (ausgleichende Hohlkreuzstellung) mit oder ohne durch Degeneration der betroffenen Wirbelsegmente und muskuläre Überbeanspruchung verursachte Beschwerden sind die Indikation zur Operation. Die operativen Strategien umfassen bei schweren Fällen die Kombination einer Lockerung der vorderen Wirbelelemente (sog. Release) mit einer von Schrauben und Stäben getragenen Korrektur von dorsal (von hinten). Eine Alternative stellt das allein dorsale Vorgehen dar, welches bei flexibleren Krümmungen eingesetzt wird. Ziel der operativen Korrektur ist die Wiederherstellung einer altersentsprechenden Kyphose.

Abb. 8.1: Die Bilderserie zeigt links die präoperativ ausgeprägte thorakale Hyperkyphose und lumbale Hyperlordose. In der MRT-Untersuchung (Mitte, seitliches Schnittbild) typische Veränderungen bei M.Scheuermann. Postoperativ Korrektur der thorakalen Hyperkyphose und Harmonisierung der lumbalen Lordose gemäß physiologischer Bereiche.

Copyright © 2020 Prof. Dr. Heiko Koller, Wirbelsäulenchirurg

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