Spondylolisthese

SPONDYLOLISTHESE und SPONDYLOLYSE: Lendenwirbelsäule
Definition:

Unter Spondylolyse versteht man eine ein- oder beidseitige Spaltbildung im Bereich der sog. Pars interarticularis (Abb.16.1, Abschnitt zwischen Gelenkfortsatz und Bogenwurzel eines Wirbels). Bei der Spondylolisthese kommt es zu einer Verlagerung des Wirbelkörpers nach ventral (vorne) in Relation zum unteren nachfolgenden Wirbel oder dem Kreuzbein. Nach dem Grad des Wirbelgleitens werden Spondylolisthesen eingeteilt in niedergradige (Grad der Translation nach Meyerding I.-II.) und in hochgradige (Translation III.-V., s. Abb. 16.2). Die Spondylolisthese des Kindes und jungen Erwachsenen tritt häufig in Form der sog. dysplastischen Spondylolisthese auf.

Ursache und Häufigkeit:
In Europa beträgt die Häufigkeit einer Spondylolyse ca. 6% bei Männern und 3% bei Frauen. Am häufigsten findet sich eine Spondylolyse in den Bewegungssegmenten L5/S1 (ca. 80%) und L4/L5 (11%). Die genaue Entstehung der Spondylolyse ist nicht abschließend geklärt. Es handelt sich um ein multifaktorielles Geschehen, wobei insbesondere mechanische und genetische Faktoren eine führende Rolle einnehmen. Unterschieden werden der Verlauf und die Genese der kindlichen dysplastischen und isthmischen Spondylolisthese und der adulten degenerativen Spondylolisthese (s. Abb. 16.3). Ein Unfall als Ursache einer Spondylolisthese ist selten. 80% aller Menschen mit Spondylolyse sind und bleiben ohne Symptome.

Mögliche Beschwerden und Symptome:
Die führenden Beschwerden, auch bei den oft jungen Patienten, sind tiefe Rückenschmerzen. Eine Irritation der Nervenwurzeln kann zu Schmerzen im Verlauf der Nervenwurzeln bzw. im Bein führen. Hochgradiges Wirbelgleiten kann durch regionale Fehlstellung der Wirbel zueinander durch Ausgleichsbemühungen im Bereich gesunder Wirbel zu einer Fehlstatik und Imbalance im Bereich der gesamten Wirbelsäule führen (s. Abb. 16.3). Muskuläre Anpassungsvorgänge in Stand- und Gang können zu Ermüdung der Muskulatur und Verkürzung einzelner Muskelgruppen (ischiocrurale Muskulatur) führen. In schweren Fällen führt eine Überdehnung und Einengung der Nervenwurzeln zu Beinschmerzen, Paresen (Lähmungen) oder sogar zu Blasen- und Mastdarmstörungen.

Konservative Behandlung:
Eine Optimierung der den Rumpf stabilisierenden Muskulatur sowie Physiotherapie stehen eingangs der Behandlung im Vordergrund. Akute und dauerhafte Beschwerden können auch von medikamentöser Therapie begleitet werden. Eine Infiltrationsbehandlung der im Bereich der Spondylolyse gereizten Nervenwurzeln sowie eine Infiltrationsbehandlung im Bereich der Pars interarticularis, der sog. Lysezone, kann bei ausgeprägteren Beschwerden kurz- und mittelfristig eine Linderung herbeiführen. Das Tragen einer Lumbarorthese kann als Baustein der konservativen Therapie in Einzelfällen Beschwerdelinderung bringen.

Operative Therapie:
Ein progressives Wirbelgleiten, neurologische Ausfälle, starke dauerhafte Beschwerden sowie eine prognostisch ungünstige Deformität mit Fehlstatik und Beteiligung der gesamten Wirbelsäule stellen die Indikation für eine operative Behandlung. Hierbei kommen bei jungen Patienten mit Spondylolyse bewegungserhaltende Verfahren im OP-Segment, wie die Rekonstruktion der Pars interarticularis durch Schrauben und auch Schrauben-Haken mit Stabrekonstruktionen, zum Einsatz. Bei Spondylolisthese erfolgt die operative Therapie mit dem Ziel der Dekompression eingeengter neuraler Strukturen sowie Segmentstabilisierung und Fusion in möglichst günstig reponierter Stellung (Abb. 16.4). Bei fortgeschrittenem Wirbelgleiten und bei bereits eingetretener Deformität mit Translation und Kyphose im lumbosakralen Übergang ist auch die Korrektur der Fehlstellung und Fehlstatik Bestandteil der operativen Therapie. Die Wirbelsäulenbalance kann somit wiederhergestellt werden. Zur Stabilisierung der korrigierten Wirbelsegmente kommen Schrauben-Stab-Rekonstruktionen zum Einsatz. In den Zwischenwirbelraum eingebrachte Käfige und Knochen unterstützen die Segmentstabilität und das Erreichen einer soliden Fusion im operierten Segment, dies ist meist L4-S1 oder L5-S1 (Abb. 16.4). Das klinische Beispiel der Versorgung einer hochgradigen Spondylolisthese ist in Abb. 16.5 dargestellt. Bei der Korrektur hochgradiger Spondylolisthesen besteht die potentielle Gefahr (bis zu 10%) für meist nur vorübergehende Funktionsausfälle im Bereich der von der chronisch überdehnten und/oder eingeengten L5-Wurzel versorgten Muskulatur am Bein bzw. Fuß (s. Abb. 16.6). Diese Operationen erfordern daher besondere Vorbereitungen, intraoperatives Neuromonitoring zur Überwachung der Nervenstrukturen sowie chirurgische Erfahrung.

Abb. 16.1a: Wirbelansicht von unten
Abb. 16.1b: Wirbelansicht von dorsal (hinten)
Abb. 16.2: Klassifikation der Spondylolisthesen nach dem Translationsgrad (Technik nach Meyerding) des oberen zum unteren Wirbel
Abb. 16.3: MRT: Links: Degenerative isthmische Spondylolisthese des Erwachsenen, 3. Grad. Rechts: Dysplastische kindliche Spondylolisthese, 4.Grad
Abb. 16.5: Darstellung der lumbosakralen Deformität bei Spondylolisthese präoperativ (links) mit Kyphose und Translation sowie postoperativ nach Reposition und Korrektur der Fehlstellung. Bei der Korrektur helfen die eingebrachten Implantate (schwarz).
Abb. 16.6: Spondylolisthese IV.Grad. Postoperative Stabilisierung und Fusion L5-S1
Abb. 16.4: Illstration einer sog. Präoperativen spinalen Imbalance bei einem Patienten mit hochgradiger Spondylolisthese, Verlagerung des Schwerpunktlots vor die Hüftgelenkachse und Ausgleichsstellung im Becken (links). Rechts im Bild postoperativ durch Korrektur der Spondylolisthese Wiedererlangen einer spinalen Balance.
Abb. 16.8: Darstellung der Nervenwurzeln (gelb) L5 zwischen dem Wirbelkörper L5 und S1

Copyright © 2020 Prof. Dr. Heiko Koller, Wirbelsäulenchirurg

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